„Liebe – und dann tue, was du willst“
Na, das ist ja einfach – wer sagt denn sowas?
Ehrlich gesagt, das habe ich auch gefragt, als ich diese Aussage das erste Mal hörte. Aber da steckt kein Freibrief zu „Allem“ dahinter, sondern eigentlich ist das eine allumfassende Weltanschauung!
Diese Zeile ist mir erst kürzlich wieder vor Augen gekommen und ich hatte den Impuls, dazu hier etwas zu schreiben. Also los und eins nach dem anderen!
Es gibt eine ganze Reihe von Büchern mit diesem oder ähnlichen Titeln und alle handeln davon, worum es dabei geht. Aber das ist dann meist Kirchenwissenschaft und nicht immer leicht zu verstehen und einzuordnen. Dennoch ist diese Aufforderung so wertvoll – und sie kann – weil sie sich so schön bequem anhört – komplett und tragisch falsch interpretiert werden. Schon die lateinische Fassung wird meist vereinfacht – und bereits damit liegt sie ein bisschen schief.
Doch keine Angst, es sind nur wenige Worte – und wir haben so viel Latein in unserer Muttersprache, das halten wir aus! Schau mal, was Du davon hältst:
Ama et fac quod vis. Unsere Übersetzung: Liebe und dann tue, was Du willst.
Inhaltlich ist diese Aufforderung Augustinus von Hippo (18. Nov. 357 bis 28. Aug. 430 n.Chr.) zugeschrieben. Aber (habe ich gehört), so findet man sie bei ihm nicht. Sondern:
Dilige et quod vis fac. Der Haupt-Unterschied liegt im ersten Wort – da nämlich liegt der Hase im Gewürz und das ist eigentlich schon die ganze Interpretation.
Jeder hier kann sich vorstellen oder weiß, dass amare als Verb lieben heißt; amore ist die Liebe bei den Italienern … ama ist also liebe klein geschrieben und als Aufforderung gedacht.
Wie oben beschrieben, steht nicht dabei, welche Art der Liebe gemeint ist. Und da das nicht eindeutig ist, macht es jeder halt so, wie es für richtig gehalten wird. Eine Vereinfachung nach bestem Wissen und Vorteil.
Aber das wollte Augustinus nicht. Deshalb hat er dilige und nicht ama gesagt.
Diligere (lat.) bedeutet auch eine Art lieben. Aber in einem anderen Sinn. Nämlich im Sinn von wertschätzen, verehren, hoch achten, beschützen wollen, für lieb und wert halten – ggf. auch gegenseitig, wenn auch nicht unbedingt in erotischem Sinn.
Nun stell Dir bitte vor, jeder – wirklich jeder, was schon an sich eine Utopie ist – würde Lieben (auch) so verstehen, wie Augustinus es gemeint hatte und würde sich danach richten.
Dilige bedeutet, wenn ich diese Aufforderung für mich annehme, dann gibt sie mir die Freiheit, alles zu tun, was ich will. Denn wenn ich dilige für mich als richtig empfinde halte ich mich daran. Und ich kann schlicht und ergreifend nichts „Böses“ (mehr?) tun.
Wäre das nicht zauberhaft? Ja wäre es, im wahrsten Sinn dieses Wortes.
Doch ich glaube leider, dass dieses „liebe“ nicht allgemein gültig werden kann. Es wirkt ja nur, wenn man es zu sich ins Herz nimmt, es als Richtlinie inhaliert … Du verstehst, was ich meine? Es hieße, jeder Mensch müsste wenigstens diese Interpretation zur Kenntnis erhalten – und schon da knirscht es.
Ich glaube nicht, dass das möglich ist. Was ich aber glaube und wovon ich überzeugt bin, ist, dass es zumindest ein paar Mitmenschen gibt, die von dieser Aufforderung wissen, sie richtig verstehen und danach leben. Ich glaube, sogar ein paar solcher Menschen schon kennen gelernt zu haben …
Liebe Leserin, lieber Leser, ich hoffe, diese kleine Lateinstunde zum Thema „Liebe und Freiheit“ hat Dir gefallen und Du kannst dem, was ich hier zusammengefasst habe, zustimmen. Wenn Du magst, schreibe mir, was Du davon hältst.
Augustinus beschäftigte sich unter anderem mit der Frage, wie und wo Menschen Glückseligkeit erreichen könnten. Er ging davon aus, dass alle Menschen mehr oder weniger dieses Ziel verfolgen. Ich wünsche Dir von Herzen, dass Du auf Deinem Weg zu diesem Ziel gut voran kommst. Könnte sein, dass das „dilige“ dabei behilflich ist.
Amen
(Ich stimme dem Gesagten voll zu, es möge so geschehen!)
P.S.: Ich bin übrigens auch so eine kinderlose Katzenfrau. Und ich hätte nichts dagegen, so apostrophiert zu werden. Erstens, weil es stimmt und zweitens, weil ich darin keine Disqualifizierung sehen kann. Und auch hier zeigt sich wieder, dass auch die besten Sachen falsch angewendet werden können.
Diese beiden haben, würde man das untersuchen können, Augustinus´ Aufforderung „dilige“ mit Sicherheit voll verstanden. Und „ama“ praktizieren sie ebenfalls. Das ist, liebe Leserin, lieber Leser, überhaupt kein Widerspruch!
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